Vilin. Der einzige Name der mir durch den Kopf ging.
Ich musste sie finden. Ich musste sie retten. Ich musste sie einfach finden. Ich spüre die Toten hinter mir, die Lebenden vor mir. Noch Lebend… noch.
Ich rannte durch den Schnee. Die Strecke erkannte ich als den Pfad zum großen Meer. Belegaer. Was wollten die Südländer dort? Ich dachte darüber nach, während ich weiter lief. Es ging über die große Ebene aus Eis, dann durch einen schmalen Pass und schließlich sah ich das große Meer durch den leichten Schneefall.
Dort stand auch schon wieder einer. Südländer. Wie ich sie hasse. Wie unendlich ich sie hasse. Sie töteten meine Familie. Vater, Mutter, Bruder, Hund und nehmen mir meine Tochter weg. Ich werde sie dafür bezahlen lassen. Das schwörte ich mir. Der Südländer bewachte den Pass, sah mich durch den Schnee und meine weiße Fellkleidung aber nicht.
Ich zog einen Pfeil aus meinem Köcher, spannte ihn auf die Sehne und zielte. Musste ihn lautlos töten. Dann ließ ich los. Der Pfeil surrte durch den Schnee und rammte sich durch seinen Mund ins Genick. Ich hörte wie Zähne zerschlagen wurden, die Zunge gespalten wurde und sein Genick hinten herausbrach.
Der Mann klappte mit seiner schweren Rüstung zusammen. Ich rannte über ihn hinweg und sah in die kalte Bucht. Mein Herz gefror zu Eis, als ich es sah. Sie hatten dort ein kleines Schiff! Sie transportierten mein Volk dort hinein. Meine Tochter war darunter. Ich wollte schon einen weiteren Pfeil ziehen, als mich etwas am Kopf traf.
Ich wurde über den Boden gezogen, direkt durch den Schnee. Bogen und Schwert wurden mir abgenommen. Ich hörte sie lachen und scherzen. Alle hatten sie ihre Gesichter mit Helmen verborgen. Sie ließen mich auf den Rücken fallen und ein dicker Mann mit noch dickerer Rüstung stellte seinen Fuss auf meine Kehle.
Er sprach mich an, sprach in einer Sprache die ich nicht kannte. Oder erkannte. Als ich nichts erwiderte drückte er fester zu. Ich versuchte mich dagegenzustemmen, aber er war zu stark. Dann ließ der Druck nach und ich wurde nach oben gezogen. Sie ließen mich los und der Dicke ging um mich herum, sprach unablässig und ab und zu lachten sie.
Ich hörte, es waren nicht nur Männer, sondern auch Frauen darunter. Ich hasse Südländer. Er zog sich seinen Helm vom Kopf. Er hatte eine schwarze Haut und helle Lippen und grinste. Ich sah hinter ihm. Das Schiff legte ab. Vilin…
Einer seiner Leute kam mit einem Strick zu mir. Wollten mich fesseln. Dachten ich würde mich nicht wehren. Ich wusste wie viele es waren. Gut ein Dutzend. Ich musste fliehen. Der Mann mit dem Strick kam näher und ich rammte ihm meine Faust in die Kehle. Er brach röchelnd zusammen und ich gab dem Dicken eine kräftige Kopfnuss. Der Dicke prallte zurück und fiel auf seinen Hintern.
Ich bemerkte eine Bewegung hinter mir und trat, offenbar einer Frau, in den Bauch. Sie schrie spitz auf und fiel in den Schnee, dann rannte ich los auf das Wasser zu. Ich hörte sie etwas rufen und die ersten Pfeile schlugen neben mir in den Boden ein, während ich rannte.
Sie riefen immer das Selbe und feuerten ihre Pfeile auf mich. Dann kam ich zum Rand und sprang mit einem Hechtsprung hinein. Es war kalt. RICHTIG kalt. Ich wollte wieder an die Oberfläche aber versuchte es lieber nicht, sie würden mich sofort töten.
Ich machte Schwimmbewegungen, kam nur langsam vorran, die Wassermassen drückten mich langsam nach unten. Ich musste weiterkommen… weiter… Ich wurde schwächer. Ich musste Luft holen, kam nicht mehr hoch… ich… gab.. auf.
Ich stehe vor meinem Zelt, ich habe Angst.
Ich will sie nicht noch einmal so sehen.
Tot, geschunden, ausgeweidet.
Doch ich schiebe den Vorhang beiseite und trete ein.
Ich sehe meinen Hund vor mir auf dem Fell liegen.
Er hechelt glücklich, ist zufrieden.
Weiter drinnen sehe ich meine Frau.
Sie hält Vilin in den Armen und lächelt zu mir auf.
Ich muss ebenfalls lächeln, dann spricht sie.
“Nein, Valen. Noch nicht.”
Ich riss meine Augen auf. Vor mir mein dunkles Grab. Ich hatte wieder Kraft in den Gliedern. Ich schwamm langsam schräg nach oben. Setzte meine letzten Reserven ein. Dann brach ich aus dem Wasser heraus, schwamm weiter. Vor mir in der Ferne ein Landstück. Eine Halbinsel die mit der Küste verbunden ist.
Ich schwamm darauf zu, zog mich mit letzter Kraft auf das Eis und rollte mich weiter in die Halbinsel hinein. Ich keuchte, ich frierte, war halbtot, taub. Vollkommen. Ich kramte zwischen meinen Sachen nach meinem Gürtel, hoffte einfach nur, dass es noch da war. Ich fand sie!
Zwei kleine Fläschchen. Feueröl. Die erste ließ ich auf dem Boden platzen und sofort setzte das Zeug den Schnee und das naheliegende Gestrüpp in Brand. Dann zog ich mir schnell die kalten Sachen aus. Naja, ich riss sie mir eher vom Leib. Die zweite Flasche Feueröl kippte ich in einem Kreis um mich herum und setzte mich dann einfach hin.
Der Schnee schmolz schnell weg. Meine Glieder kehrten zu mir zurück. Schmerz. Grausamer Schmerz durchzuckte meinen Körper und ich fiel fast in das Feuer. Ich krümmte mich unter diesen grausamen Schmerzen, in dem Ring aus Feuer.
Sie hatte Recht. Noch nicht. Noch war ich nicht fertig.
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