Ich stand langsam auf. Peitschender Wind tobte durch unsere Zeltreihen.

 Ich drückte meiner Frau einen Kuss auf die Wange, meiner Tochter auf die Stirn. Beide lächelten sie im Schlaf und ich musste auch lächeln. Dann streichelte ich noch kurz meinen Hund, der mich mistrauisch beäugte. Er mochte mich noch nie, aber er respektierte mich. Dieses starke Tier beschützte uns jederzeit im Schlaf und würde sein Leben für uns geben. Ich packte mich in meine dicken Leder- und Fellklamotten. Dann zog ich mir noch die Fellkapuze über, schulterte den Langbogen und trat hinaus in den Schnee. Wir hatten das Lager gestern Abend in einer Grube aufgeschlagen. Draußen stand mein Vater. Er musterte mich mit dem üblichen Desinteresse. Dann schaute er wieder nach vorn und ich bemerkte wie sich seine Miene unter der Kapuze aufhellte.

Das konnte nur eines bedeuten. Entweder ich war tot oder Valan kehrte zurück. Mir ging es gut, daher zweiteres. In der Ferne des Sturmes sah ich Valan auf seinem großen, weißen Pferd auf uns zu reiten. Er und Vater wechselten ein paar Worte, aber mir war es gleich. Ich ging ein paar Schritte aus dem Lager heraus und stapfte zum Rand der Kuhle. Leise seufzte ich, während ich so die kalte Ödnis aus Eis beobachtete. Dann musste ich doch lächeln, wenn ich daran dachte, wie Vilin irgendwann hier herumstreunen wird und hofft, dass ich sie nicht finde.

“Valen?” Ich drehte mich um. Valan stand vor mir. Er hatte einen roten Ziegenbart und lächelte mir unter seiner Kapuze zu. “Ich habe Kilpa Kita Spuren ein paar Meilen südlich von hier gefunden. Du bist dran. Sei bis heute Abend wieder da, ja? Ach und sei vorsichtig bitte. Ich habe auch noch andere Spuren entdeckt. Südländer vermutlich.” Ich nickte.
“Habe verstanden, Bruder. Kümmer’ dich um Vilin heute, ja? Sie wollte gestern gerne mal auf deinem Pferd reiten.”
Valan lachte und klopfte mir auf die Schulter. Das hieß ‘Ja’. Er drehte sich um und stapfte ins Lager zurück.

Ich selber legte mir meinen Schal über den Mund und lief los. Weit Südlich entdeckte ich keine Spuren, aber ich war ja nicht bescheuert. Der Schnee ließ sie verschwinden, also musste ich einen größeren Bereich absuchen. Dann fand ich auch schon frischere. Ich folgte diesen und fand ihn schließlich. Ein Kilpa Kita. Ein recht Alter wie mir schien, seine Reißzähne waren groß und gefährlich Spitz. Aber ich brauchte nur einen Pfeil.

Ich spannte einen meiner Pfeile mit steinerner Spitze an die Sehne und ließ los. Er bohrte sich in das Tier und es kippte laut jaulend und fauchend um. Während ich auf ihn zurannte, zog ich einen weiteren Pfeil, welche sich Sekunden danach in den Kopf bohrte. Ich musste grinsen. Ich war stolz. Natürlich würde es Vater nie beeindrucken, aber Valan und die anderen bestimmt. Meine Frau würde sich auch freuen. Ich liebe sie.

Das Problem an guter Beute ist sie ins Lager zu bringen. Trotzdem war ich glücklich. Der Kilpa Kita war so schwer, dass ich unter seinem Gewicht fast zusammenbrach, aber das störte mich nicht weiter. Ich wollte nur ins Lager, meine Frau küssen, Vilin lachen sehen und dann dieses Vieh hier verarbeiten. Drei Stunden später. Der Sturm wurde stärker. Ich bekam nun etwas Angst. Wenn ich mich verlaufen hatte, war ich so gut wie tot.

Ich stöhnte unter dem Gewicht des verfluchten Tiers. Dann war ich so dabei das Tier zu verfluchen und hatte auch mit dem Gedanken gespielt es einfach abzuwerfen und später zu holen. Aber ich sah etwas anderes. Etwas, dass mir mein Herz einfrierte, etwas dass mich taub werden ließ. Rauch, dicker schwarzer Rauch aus dem Norden. Ich ließ den Kilpa Kita fallen und rannte los.

Es konnte nicht sein. Es musste etwas anderes sein, als das was ich vermutete. Das Gefühl der Angst war noch nie so stark. Vilin, meine Tochter. Valan, mein Bruder. Vergil, mein Hund. Meine… Frau.

“NEIN…!”, schrie ich in den Sturm der Rauchwolke entgegen. Es war unser Lager.  Am Rand der Grube stand jemand. Aber… er sah ganz anders aus. Kein Fell oder Leder am Körper. Sondern eine Rüstung. Eine dicke Rüstung. “SÜDLÄNDER!”, brüllte ich laut und legte einen Pfeil an die Sehne. Der Mann… oder war es eine Frau? Bemerkte mich jedenfalls und zog ein zweischneidiges Schwert. Er rannte damit auf mich zu, doch mein Pfeil traf sein Ziel und er sackte tot zusammen. Ein perfekter Schuss ins Visier. Mein Zorn verlieh mir unglaubliche Präzision.

Mir blieb keine Zeit den Schuss zu bewundern und ich rannte auf die Grube zu. Unten im Lager sah ich zwei weitere gepanzerte Südländer vor dem Feuer. Zwischen ihnen Leichen. Leichen von Südländern und Leichen meines Volkes. Valan saß mit dem Rücken zu meinem Zelt. Ich war mir sicher, er lebte noch! Ich rannte den Abhang herunter, biss auf den ersten Pfeil in meinem Mund und spannte den Zweiten.

Er traf und nagelte einen der Männer in den Boden. Der Zweite sprang auf und zog eine Armbrust. Er schoss und riss traf in meinen Fellmantel unter meinem rechten Arm. Sein Fehler, er hatte nicht ordentlich gezielt. Sein Tod wurde zu einem Ton, ein lauter klatschender Ton, knarzender, knackender Ton, als mein Pfeil ihm zuerst die Nase bricht und dann den Hinterkopf aufreißt. Blut fetzte regelrecht auf den Boden und die Zeltwände und das Feuer am Boden. Ich trat den ersten Mann um und dann so lange ins Gesicht bis es Matsch war.

Kurz sah ich mich nach weiteren Feinden um, warf dann den Bogen zur Seite und rannte zu Valan. Neben ihm lag Vergil mein Hund. Jemand hatte ihm den Bauch aufgeschnitten und seine Augen starrten leer und tot ins Nichts. Mein Bruder aber lebte. Noch. Seine Brust war der länge nach aufgerissen.

Selbst wenn ich ein Heiler wäre, ich hätte ihm nicht mehr helfen können. “Valen…” Seine Stimme war schwach und zittrig. Er machte mir Angst, wahnsinnige Angst. “Valen… deine Frau… ich … es tut mir Leid.” Ich ergriff seine Wangen und flüsterte zittrig. “Nein… nein… Valan… bleib’ hier.” Mein Bruder flüsterte mir etwas ins Ohr, dann nahmen seine Augen die gleiche Farbe wie die meines Hundes an. Er war tot. Erst jetzt bemerkte ich Vater. Er brannte auf unserem Lagerfeuer. Ebenfalls tot. Es versetzte mir nur einen kleinen Stich.

Dann eilte ich in das Zelt und dann… meine Frau. Nackt auf unseren Fellen. Sie zitterte und war voller Blut. Die Südländer hatten sie… hatten sie… ihren Körper genommen. Ihren Geist geraubt und letztendlich einfach aufgeschnitten. Sie versuchte verzweifelt ihre Eingeweide zu behalten… Ich ging auf die Knie neben ihr. Meine Augen brannten. Rot wie Feuer. Ich nahm sie in meine Arme und drückte mit der rechten Hand ihre Hände auf den großen Schnitt. “Valen…”, flüsterte sie so leise… so unglaublich leise… “Ich liebe dich.”, erwidere ich nur.

Sie lächelte schwach und sagte dann sehr laut und verzweifelt. “Hol unser Kind zurück… Sie haben sie. Hol unsere Vilin zurück… HOL UNSER KIND ZURÜCK!”, am Ende brüllte sie einmal laut und war dann still. Ihre Augen leer. Meine Frau war tot.

Ich ließ sie los und schloss ihre Augen, dann bedeckte ich sie mit unseren Fellen. Ein letzter Blick, ich wusste, dass ich weinte, aber mein Blut kochte. Ich trat aus dem Zelt und blickte auf meine ganze tote Familie. Vilin war nicht dabei. Ich nahm meinen Bogen, ging aus der Grube heraus und sah mich um. Ich bemerkte Spuren… Pferde, Wagen, Fußstapfen.

Ich bäumte mich auf, riss meinen Kopf nach hinten, die Kapuze fiel zurück und meine drei geflochtenen Zöpfe fielen zurück, dann brüllte ich. Laut und furchtbar. Gleich einem Dämon. Einem Ungeheuer. Einem Monster. Einem Tier.

This entry was posted on Dienstag, Januar 25th, 2011 at 23:03 and is filed under Valen Ráca. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

4 comments so far

Tarona
 1 

Schluckt* Oh verdammt

verdammt ist DAS gut

Januar 25th, 2011 at 23:12
Beoard
 2 

auhja sau gut! *daumen hoch*

Januar 26th, 2011 at 00:42
Geldromir
 3 

Verdammt…. Mit das beste was ich jemals gelesen habe wir sollten wirklich ein vewf…… Buch mit den geschichten der Angehörigen des Haus Amarnartha schreiben…. ohne sch… verdammt

Januar 26th, 2011 at 10:16
Hiodir
 4 

Das ist in der Tat sehr gut geschrieben. *claps*
Nur ein Kritikpunkt: es ist aus der Ich perspektive geschrieben klar aber wort Ich fällt wirklich sehr oft, vielleicht umschreiben. Ansonsten Spitzenklasse.

Januar 26th, 2011 at 11:37

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