Mein Fluch zieht sich weiter dahin.
Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste für mich ist, wenn ich von Sarolan getrennt werde, bis meine Ausbildung zum Ritter abgeschlossen ist. Ich wollte diesen alten Mann auf den Boden werfen, meinen Bogen zur Seite legen und solange auf seinen Schädel eintreten bis es mir keinen Spaß mehr gemacht hätte. Aber ich tat es nicht. Warum? Keine Ahnung.
Ich stehe hier auf meinem Posten, zerdrücke das Holz meines Bogens und denke nach. Dieser Bastard hat mir die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten gelassen. Ich aber sehe drei.
1. Ich könnte alles hinwerfen und verschwinden. Aber das kann ich nicht. Ich kann das Sarolan nicht antun.
2. Ich werde mich vollkommen verwandeln, ein guter Mensch sein, die Ausbildung zuende bringen und Ritter werden. Aber das kann ich nicht. Nicht nach diesem Entschluß von ihnen.
3. Ich bringe sie alle um. Töte jeden von ihnen. Lauere ihnen auf, getarnt, töte sie aus der Entfernung wo sie am Schwächsten sind. Ich bringe alle um. Es würde mir Spaß machen. Ich würde es genießen. Vermutlich würde ich den Fürsten in kleine Stücke zerreiben, bis von ihm nichts mehr übrig wäre… aber das geht auch nicht. Sarolan würde das nicht wollen. Sie würde es auf keinen Fall wollen und sich mir vermutlich in den Weg stellen.
Ich kann das nicht tun. Nichts von den Dreien. Ich entferne mich von meinem Posten. Ich brauche einen klaren Kopf. Den Weg aus dem Haus heraus, schaffe ich noch gehend, dann muss ich rennen. Ich sprinte davon, raus aus der Siedlung. Meine Verletzung am Bein, das Kettenhemd, alles egal. Ich will nur weg. Auf der Straße angekommen sehe ich mich wild um, suche etwas, was es nicht zu finden gibt.
Ich entdecke die Moore. Sie sind neblig an diesem Tag. Ich renne auf sie zu, kurz davor, ziehe ich den Gürtel herunter, werfe meinen Ringpanzer ab, lege den Gürtel mit Köcher, Lederbeutel und Schwert wieder an und verstecke den Ringpanzer in einem hohlen Baumstamm. Dann laufe ich weiter. Nur Stiefel, Hose und Gürtel tragend. Mein vernarbter Oberkörper würde jedem Angst machen, aber ich laufe ja nicht gerade in eine Stadt.
Der Nebel empfängt mich kalt und Urteilslos. Er ist mein Freund. Er gibt mir ein Versteck. Er gibt mir Ruhe. Ich laufe noch weiter durch den Sumpf, ab und zu sinke ich ein und kann mich nur gerade so herausretten. Moskitos stechen mir in meinen Körper. Es ist mir egal.
Gut zwei Stunden finde ich das Gesuchte. Ich habe ihre Spuren verfolgt. Sie unter unzähligen ausgemacht und sie gefunden. Ich lege einen Pfeil an die Sehne und einen Zweiten schiebe ich mir zwischen die Lippen. Ich wusste was ich brauchte. Blut. Ich musste jemanden töten… oder etwas.
Ich schlich mich heran. Im Nebel tat sich das Licht eines Feuers auf. ‘Dummköpfe’, denke ich und schleiche durch meinen Freund den Nebel. Es sind Bilwisse. Sie reden miteinander, fressen irgendein widerliches, altes, vergammeltes Stück Menschenfleisch. Ich mag Orks, man fühlt sich nie schlecht, egal was man ihnen antut. Ich spanne, ziele, konzentriere mich. Es sind ungefähr Sechs Stück. Kleine Bastarde, streiten sich um Fleisch. Kleine tote Bastarde.
Ich überspanne meinen Langbogen stark und lasse los. Der Pfeil rammt sich dem ersten Bilwiss in die Wirbelsäule, durchbohrt den Bilwiss und nagelt dann einen Zweiten direkt dahinter in einen größeren Stein, der dort verborgen unter Gras und Moos schlummert. Die anderen Vier kreischen und sehen sich verwirrt um. Sie wissen nicht, was mit ihnen passiert.
Es machte Spaß. Nach dem zweiten Pfeil, mit dem ich einem von ihnen in den Bauch schoss, nahm ich einen Pfeil aus meiner Heimat. Ein widerlicher Pfeil mit Widerhaken und Dornen. Ich habe so einen mal in die Seite bekommen. Wäre fast daran gestorben. Ich spanne und treffe die Kehle eines Bilwiss. Er röchelt, während er zu Boden geht. Sie rufen und deuten in meine Richtung. Die letzten Beiden rennen auf mich zu, ich renne auf sie zu. Kurz bevor wir gegeneinander laufen, schwinge ich den Bogen und ziehe beiden mit einem Schwung die Beine weg.
Dann ziehe ich mein Schwert und gebe ihnen den Rest. Den Bogen lasse ich sinken, besehe mir mein Werk. Alle Sechs sind tot. Ihr Blut befleckt den moorigen Boden und ich fühle mich frei. Einfach nur frei. Dieses Gefühl der Freiheit, dass man nur im Kampf bekommt. Herrlich. Doch… es trifft mich wie ein Schlag.
Was tat ich da? Ich renne einfach irgendwohin und töte mal eben sechs Orks? Ich sinke auf die Knie und lasse meine Waffen auf den Boden fallen, dann kralle ich meine Hände in den matschigen Boden. Es war ein Alptraum. Ein nie endender Alptraum. Ich wurde in einem geboren. Ich bin verflucht. Der Fluch zieht sich weiter, egal was ich…
Dann trifft es mich wieder, aber diesmal eher wie ein Tritt in die Weichteile. Egal was ich tue? Was habe ich bisher getan? Ich bin weggelaufen. Ich habe Rache genommen. Dinge getan die ein Ritter nicht tun würde. Verliere ich nun meinen Verstand? Oder bekomme ich Einsicht in mein Leben? Wie sagte mein Bruder Valan…
“Viele Geständnisse kommen zu spät. Ich liebe dich mein Bruder und jetzt sterbe ich. Rette deine Familie.”
‘Bruder…’, flüstere ich und drücke mein Gesicht nach unten. ‘Was soll ich tun?’ Ich bekomme keine Antwort. Habe aber auch keine erwartet. Ich werde diese Südländer für immer hassen. Man trennt einen von meinem Volk nicht von seiner Familie ohne Konsequenzen zu erhalten, aber jetzt ist es wichtiger meine Familie… Sarolan… zu retten. Ich werde Gefühle vorspielen müssen. Gefühle, wo keine sind. Freude, Respekt, Liebe, Kameradschaft. Leckt mich alle am Arsch. Ich werde euch Südländern zeigen was für ein guter Schauspieler ich bin… und was für ein Ritter ein Ráca werden kann!
Ich ziehe scharf Luft ein, reiße meinen Kopf nach oben und schreie, brülle, verfluche jeden einzelnen VERDAMMTEN SÜDLÄNDER!
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