Blut
Ich stehe vor dem Haus meiner Frau. Es ist tiefste Nacht. Der Mond ist wunderschön, keine Wolken am Himmel. Ich trage in meiner Hand meinen alten Langbogen, mein treuer, alter Langbogen. In der anderen Hand ein Pfeil. Ein ganz normaler Pfeil, wie ich sie selber jeden Tag schnitze und mit Federn bestücke. Stabiles Eibenholz, tödliches, stabiles Eibenholz. Es war wieder soweit. Der siebzehnte Nachjul. Tradition ist Tradition, nicht wahr?
Am letzten siebzehnten stand ich irgendwo auf den Ered Nimrais und schoss in strömenden Regen diesen Pfeil ab. Hätte mich damals fast umgebracht. Verdammte Orks. Aber überlebt habe ich ja. Ich drehe mich kurz um und blicke zum Haus. Sarolan schläft. Leanor starrt die Tür an, bis ich wieder reinkomme. Braver Hund. Passt gut auf. Ist schön einen Ort zu haben zu dem man gehört. Ich drehe mich wieder nach vorn und blicke zum Mond.
Es kann sein, dass ich scheiße gebaut habe… mal wieder. Der erste Ritter hat Probleme. Keine Krankheiten oder Wehwechen. Ich fühle keinen Geist mehr. Ich glaube, sie ist tot. Ich bin vielleicht mit daran Schuld. Nur weil ich sabotieren wollte. Ich wollte meinen Werdegang zum Ritter sabotieren. Ich bin ein Schwachkopf. Mit der Idee habe ich vermutlich noch ein Leben zerstört. Egal was ich mache, es läuft schief.
Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich glaube ich verliere meinen Verstand. Da kommt der Siebzehnte gerade recht. Der Blutpfeil. Muss ihn heute abschießen. Er schwächt mich und macht mich zeitgleich stärker. Ich muss die Dinge geradebiegen. Aber noch nicht heute. Heute ist das Blut wichtiger. Ich werde noch etwas beobachten, vorsichtig sein. Doch jetzt musste ich mich konzentrieren.
‘Blut gehört uns. Blut bleibt bei uns. Blut verbindet uns. Blut macht uns stark.’, sage ich und ramme mir die Pfeilspitze durch den Stoff der weißen Robe in den rechten Oberschenkel. Einen lauten Schrei kann ich unterdrücken, aber mein Knurren ertönt trotzdem laut vor dem Haus. Ich drehe den Pfeil einmal herum, ziehe ihn dann heraus und lege ihn an die Sehne. Ich stelle meinen verletzten Fuss nach hinten, beuge meinen Körper nach hinten und verlagerte das Gewicht auf den hinteren Fuss. Dann spanne ich den Bogen, das Blut tropft von der Pfeilspitze vor mir auf den Boden und ich lasse los.
Der Pfeil fliegt aus dem Tal der Siedlung in Richtung des großen Mondes. In der Ferne sehe ich wie er in den Boden auf der anderen Talseite weit oben einschlägt. Dann knie ich und beweine die Toten.
Eine halbe Stunde später gehe ich ins Haus und verbinde meine Wunde. Leanor kraule ich noch kurz hinter den Ohren, sie leckt mir meine rechte Hand ab und ich muss lächeln.
-Auszug aus Valens Tagebuch 17. Nachjul
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