“Das fahrende Volk”
…fünf lange Jahre waren ins Land gegangen. Jahre der Arbeit, Jahre des Wachsens, Jahre des Schweigens. Kriep zählte nun dreizehn Lenze.
Er war schon immer etwas kleiner und schmächtig, ja gerade zu dürr gewesen, dafür aber gelenkig und flink. Das was er hat, hatte sich gefestigt. Seine Haare hatte er sich schulterlang wachsen lassen und da nun der Bartwuchs langsam einsetzte rasierte er sich stets mit einem Rasiermesser des örtlichen Barbiers, welches er dafür bekam herrauszufinden ob seine Frau in Untreue lebte. (Sie war Treu)
Wedegor brachte ihm streng lesen und schreiben bei und auf ihren teilweise wochenlangen Expeditionen lernte er stets und ehrgeizig und erwies sich mit der Zeit als gar nicht so dümmlich wie er sich selbst des öfteren sah.
Die Arbeit begann mit dem Schleppen des Bündels seines Meisters und dem Sauberhalten der Gelehrtenstube, doch als Kriep immer mehr fragen stellte und sich wissbegierig zeigte, begann Wedegor ihm Dinge zu erklären.
Seine Studien beinhalteten das Verhalten der Völker im vergleich zu den Tieren. Zum Beispiel wo sich Ähnlichkeiten fanden oder gar Gleichheiten wenn es um Beute ging oder Fressneid.
So verbrachten sie die Tage abwechselnd entweder wochenlang in der Wildnis und folgten den Tieren oder aber beobachteten an geselligen Abenden im Pony das feiernde und lärmende Volk. Er lernte die Schwächen und Laster zu erkennen und wusste wie man sie hätte einsetzten können um jemanden zu vernichten.
Aber alles andere ist beim alten geblieben, er litt weiterhin unter Till Eisenwurzel, der nun eine harte Ausbildung zur Wache bestritt und in seiner Freizeit, Kriep mit seinen Kumpanen verprügelte wenn ihm danach stand. Seine Mutter strafte ihn weiterhin für seine Existenz mit Kälte und Verachtung.Sie sprachen so gut wie nie miteinander und er mied es sie überhaupt zu sehen.
Eines hatte er nun durch seine neuen Fähigkeiten gemerkt, Wedegor war hilflos seiner Mutter verfallen. Kriep konnte ihn nun so gut leiden, das er sich wünschte er würde sie heiraten, denn mittlerweile wusste er was sie war, und was er dadurch war. Ein Bastard.
Eines frühen Morgens standen Kriep und Wedegor gemeinsam am Westtor der Stadt, denn es hieß, dass das fahrende Volk durch die Stadt zieht und dann einige Tage etwas außerhalb der Stadt verweilt. Der Einzug in die Stadt war prächtig.
Von weitem hörte man bereits das wilde Spiel mehrer Lauten, Flöten und Trommeln. Als erster durchschritt halb tanzend ein Mann mit schlohweißem flatterndem Haar das Stadttor. Sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt die jedermann zum lachen brachte. Seine körperliche Erscheinung war unscheinbar, ja gerade zu schwächlich. In seinen Händen hielt er zwei große Stöcke an denen Dutzende Fäden befestigt waren und vor ihm kämpften zwei mannsgroße Puppen miteinander, was eher aus sah wie ein einstudierter Tanz.
Ein Mann aus den Reihen der Zuschauer rief begeistert und grölend:
„Das ist der Anselm! Anselm der Puppenspieler!“
Aus den Reihen des Volkes brandete ein mächtiger Beifall auf.
Für einen kurzen Moment öffnete Anselm die Augen. Kriep sah in eisblaue Augen, wie in die eines Wolfes.
Sie starrten ihn für einen winzigen Augenblick an und Kriep konnte sich nicht von diesen Augen lösen.
Die Zeit schien sich zu verlangsamen. Plötzlich schien Kriep ein Funkeln darin zu sehen. Und sofort sah er wieder den Puppenspieler der sich wild während seines Spiels verrenkte.
Wie benommen sah er dann den Rest des Zuges folgen.
Es kam ein großes Gespann, von Ochsen gezogen, durch das Tor . Darauf stand ein hochgewachsener etwas jüngerer Mann als der vorherige. Sein Gesicht strahlte und die schulterlangen blonden Haare wehten im Wind.
Die Frauen im Publikum verstummten und sahen gebannt zu dem Musikus, der mit verführerischem Blick in die Masse sah und dabei die Laute zupfte und einen anzüglichen Text trällerte.
Eine Frau wandte sich an eine nahestehende junge Frau in Krieps Nähe und sagte mit hochroten Kopf und die Hände verlegen knetend:
„Das ist bestimmt Kuno der Schöne. Man sagt es genügt ein Wort von ihm um ihm hilflos zu verfallen.” Beschämt sah die Frau zu Boden, wahrscheinlich ob der gedanken die sie sich ausmalte.
Hinter ihm auf dem Wagen standen einige, gerade erst dem Kindsalter entwachsene Jungen und Mädchen die Flöten und Lauten spielten. Nach dem der Wagen das Tor passiert hatte, erschienen aus dem Torbogen zwei schelmisch dreinblickende Knaben die wild große Trommeln schlugen. Ihnen folgten dann einige wunderschön aussehende Frauen die keck umhersprangen und immerzu kicherten und einen leichten Knicks machten wenn sie in der Masse einen Herren erkannten der Geld zu haben schien.
Ihnen wiederum folgte eine Dame die etwa genauso alt sein mochte wie der Spielmann und ihm unheimlich ähnlich sah. Auf Ihrem Kopf trug sie einen riesigen Hut der mit Blumen besetzt war. Sie ging stolz erhobenen Hauptes mit einen kleinen Schirm zum Schutz vor der Sonne und Ihr Kleid war blutrot, wallend und mit großzügigem Ausschnitt.
Ihr folgten dann einige Gespanne um die mehrere Mädchen mit langen Tüchern freudig tanzten und Jungen die Feuer spieen und jonglierten.
Als der Zug vorüber war und unter lautem Applaus die Stadt durch das Südtor verließ, gingen Wedegor und Kriep zurück zum Gelehrtenarchiv.
„Fahrensleute…“ sagte Wedegor in seiner interessierten und doch fast gelangweilt klingenden Art zu sprechen.
Kriep wusste was das bedeutete und war nicht weniger interessiert an dem seltsamen Anselm und seinem Zug.
Wedegor lächelte „Ich sehe schon, also pack das Material zusammen ich treffe dich dann am Südtor, Kriep.“
Kriep nickte stumm und wusste bereits wohin Wedegor gehen würde, so wie er es immer tat wenn sie auf eine Expedition oder dergleichen gingen. Zu seiner Mutter.
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