9 Jahre zuvor.
Thal
Anwesen Amarnartha
Kasernenhof
Die Sonne stand hoch am Himmel. Es war um die Mittagszeit, im Hochsommer.
Zwei junge Mädchen – von denen man hätte annehmen können sie wären nur eine – schwitzten mit 28 anderen sechzehn jährigen um die Wette.
Die Uniform der Gardeauszubildenden tragend, hatten sie sich alle besonders viel Mühe beim ankleiden gegeben. Der Kragen eng, die Schuhe fest, die Handschuhe stramm und der Gürtel fürs Schwert noch etwas enger, denn so saß es besser.
Auch die zwei strohblonden Mädchen hatten es zu gut gemeint. Nun konnten sie es nicht mehr ändern. Also standen sie stramm, wie ihr Vater es ihnen, seit dem sie laufen konnten, eingetrichtert hatte. Die Füße schulterbreit auseinander, die Arme im Rücken verschränkt.
Niemand hatte ihnen erlaubt, locker zu stehen.
Und so standen sie hier seit dem Morgengrauen auf dem Platz, eingeschlossen zwischen Mauern in denen sich bereits jetzt die Hitze unerträglich staute.
Der glatzköpfige Ausbilder – mit der Nase eines Schweins und Narben auf jedem Fleck seines Körpers – scheuchte sie nur hin und wieder umher, sie noch mehr zum schwitzen bringend.
Den Sitz der Uniform prüfen, den Hof der Kaserne fegen, die Stiefel der Garde putzen, Kisten von links nach rechts wuchten und wieder zurück. Waffen sortieren, putzen und verteilen. Alles in der prallen Sonne, die sich unaufhaltsam über die Dächer schob.
Laut bellte die raue, unfreundliche Stimme Befehle über den Platz, zwischen den grauen Wänden des Kasernenhofes am östlichen Rand des fürstlichen Anwesens.
„Agathon…. Ânadia, Ninn… vortreten. Aufstellung. Waffen. Anfangen.“
Der erste Tag der beiden Schwestern in der Garde des Fürsten. Sie hatten sich dem Wunsch des Vaters gebeugt…
Er war es auch, der dafür gesorgt hatte, dass die Schwestern nun gemeinsam auf dem eingezäunten Übungsplatz standen.
Ihr Vater, ein Feldmarschall. Sein Wunsch war es sie zu einer Einheit werden zu lassen. Dass sie eines Tages gemeinsam auf den Schlachtfeldern stehen würden, die er sich insgeheim herbei sehnte.
Das verweichlichte Üben der Gardisten, das ständige, seichte Gebrabbel der Wachen, die nicht eine Stunde lang ihren Mund halten konnten war ihm zuwider.
Seine Töchter hingegen hatten das Zeug zu mehr. Genau wie seine beiden Söhne hatte er sie von klein auf an getrimmt. Sie hatten nie das Wort an jemanden Gerichtet, wenn sie nicht dazu aufgefordert waren, nie hatten sie Widerworte gegeben und schon gar nicht waren sie unaufmerksam, wenn seine Frau und er das Wort erhoben hatten.
Seine Kinder konnten mit fünf Jahren, knapp zwei Stunden am Stück stramm stehen, das Gesicht zu einer ausdruckslosen Maske werden lassen und nicht ein Mux war von ihnen zu hören. Er war stolz auf sie alle vier. Keine Frage.
Doch sein großes und nach außen hin abweisendes Herz gehörte von Anfang an seinen beiden Mädchen. Seine Prinzessinnen. Nicht dass er es ihnen je gezeigt hatte. Keineswegs. Er war Marschall, seine Söhne strebten ihm nach und darauf hatte er Stolz zu sein. Die männlichen Erben seines Namens.
Ninn, die um ein paar Minuten ältere, hatte seine Ausdauer, die Kälte um Angst einzuflößen, seinen Kampfgeist und ein respektables Maß an Kraft.
Ânadia war mit genügend Kraft, Geduld, seiner Auffassungsgabe und dem klugen Köpfchen seiner Frau gesegnet.
So war es auch für ihn nicht verwunderlich, dass die ältere der Beiden einen handwerklichen Beruf erlernte. Waffenschmiedin. Die Jüngere wählte einen zivilen Beruf, bei dem sie ihr Köpfchen anstrengen konnte. Eine Heilerin wollte sie werden.
Unsagbar groß war dann der Stolz, den er empfand, als sie ihm, nach ihren eigens gewählten Ausbildungen mitteilten, seinem Wunsch zu entsprechen.
Sicher er hatte nichts anderes erwartet, er hätte nichts anderes zugelassen… dennoch kamen sie aus freien Stücken zu ihm um ihm mitzuteilen, dass sie letztentlich die Garde unterstützen wollten.
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